Wer glaubt, dass sich Projekte im internationalen Kreditmanagement nach Vertragsunterzeichnung nicht weiterentwickeln, hat sich getäuscht. Senior Projektmanagerin Franziska Kindervater berichtet über ein außergewöhnliches Aufgabenfeld.
Die Verantwortung, die mir im Anschluss an mein 15-monatiges Trainee-Programm in der Bank übertragen wurde, war groß. Vom ersten Tag an wurde mein voller Einsatz gefordert. Das Portfolio, das ich zu Beginn meiner Tätigkeit als Risikovertragsmanagerin im Kreditmanagement der Grundstoffindustrie erhielt, war eine bunte Mischung aus internationalen Projekt-, Export- und Unternehmensfinanzierungen in jeweils zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe; regionale Schwerpunkte lagen in Russland und den USA. Nach gut zwei Jahren wechselte ich in die Stahlfinanzierung, eines der drei Marktteams der Grundstoffindustrie.
Nach Unterzeichnung des Kreditvertrags und erster Auszahlung wird die komplette Betreuung und Risikoüberwachung der Kredite vom Risiko- und Vertragsmanager im Kreditmanagement übernommen. Wer glaubt, dass sich Projekte nach Vertragsunterzeichnung nicht „weiterentwickeln“, hat sich getäuscht. In den Bereich des Vertragsmanagements fallen bei bis zu zwölfjähriger Laufzeit von strukturierten Finanzierungen zahlreiche, oft sehr umfangreiche Änderungen an.
Diese sogenannten Kreditfolgeentscheidungen, wie z.B. Waiver und Amendments, werden vom Risikovertragsmanager herbeigeführt, bewertet und in ständiger Korrespondenz mit Kunden, Banken, Anwälten, Kredit- und politischen Risikoversicherern umgesetzt. Teilweise sind auch Projektprüfungen und Verhandlungen vor Ort erforderlich.
Durch die Vielfältigkeit der Produkte und die internationale Ausrichtung des Geschäfts ist nahezu jede Vertragsänderung individuell; Standardlösungen gibt es selten. Zum Risikomanagement gehören die turnusmäßige Bonitätseinschätzung der Kreditnehmer durch die Erstellung von Ratings auf Grundlage der Jahresabschlüsse bzw. Cashflow-Modelle sowie Marktstudien.
Ausgerüstet mit diesen Kenntnissen über Vertragsstrukturen sowie Kunden- und Sektor-Know-how wechselte ich in eine unserer Marktabteilungen. In der Stahl-, Papier- und Zellstoffindustrie liegt mein Aufgabengebiet nun in der Akquisition und Strukturierung von Finanzierungen.
Zum ersten Schritt, der Akquisition von Geschäften, gehört die Analyse potenzieller Märkte sowie Identifikation von Kunden und deren Finanzierungsbedarf. Dabei gilt es, maßgeschneiderte Lösungen für Kunden zu entwickeln, die zu dessen geschäftlicher Aktivität im jeweiligen Investitionsland passen. Während der Strukturierung einer Finanzierung sind oft umfangreiche Verhandlungen mit dem Kunden nötig unter Einbeziehung von internationalen Anwaltskanzleien, Kreditversicherern, technischen Sachverständigen, Produktspezialisten und der Syndizierung.
Dieses globale Zusammenspiel der verschiedenen Akteure erlebe ich derzeit bei der Strukturierung einer Finanzierung für die Errichtung eines Stahlwerks eines indischen Kunden, wo wir zusammen mit einer koreanischen Bank, zwei Kreditversicherern und Anwälten aus Hongkong arbeiten. Dabei zeigt sich, dass Sprachkenntnisse und interkulturelle Kompetenz für einen Projektmanager in der Bank – neben fundierten analytischen Fähigkeiten – unabdingbar sind.
Die frühe Übernahme von Verantwortung in den ersten Berufsjahren, sowohl im Kreditmanagement als auch in der Markabteilung, habe ich stets als besonders spannend erlebt.