Endlich studieren und raus aus dem Hotel Mama. Doch überfüllte Wohnheime, Wartelisten für WG-Zimmer und überteuerte Appartements machen Studenten oft einen Strich durch die Rechnung. Das Projekt „Wohnen für Hilfe“ schafft Abhilfe bei teuren Mieten und studentischer Wohnungsnot.
Wie es in einer WG zugeht, kennt man ja: In der Küche stapeln sich die Überbleibsel der gestrigen Party, im Bad regieren die Silberfische und der Müll könnte auch mal wieder geleert werden. Die WG von Jana Richter ist da ganz anders. Hier stoplert man höchstens über Kinderspielzeug, denn sie wohnt unter einem Dach mit drei Kindern, deren berufstätigen Eltern und einem Onkel. Verwandt ist sie mit der Familie jedoch nicht.
Wohnen für Hilfe nennt sich das Projekt, das seit einigen Jahren in vielen Städten ein großer Erfolg ist. Das Prinzip: für einen Quadratmeter Wohnfläche hilfst du monatlich eine Stunde im Haushalt. Die Nachfrage unter Studenten ist riesig. Kein Wunder, schließlich ist Wohnraum in vielen Uni-Städten knapp und teuer. So campieren einige sogar in Notunterkünften.
Jana hatte Glück, als sie für ihr Aufbaustudium in Sinologie nach Tübingen gezogen ist. Zwei Monate nach Studienbeginn hat sie es "mal probiert" und sich bei Wohnen für Hilfe beworben. Eine Familie war schnell gefunden. Im großen Haus mit Garten hat sie ein eigenes 20 Quadratmeter großes Zimmer mit Balkon. Im Grundstudium hat sie noch in einer Sportverbindung gewohnt.
Jana übernimmt hauptsächlich die Kinderbetreuung. Für Luise (3), Martin (7) und Karl (9) kocht sie auch das Essen und spielt mit ihnen. Alles im Vertrag festgehalten - Selbst die Waschmaschinenbenutzung. Zu den 12,5 Stunden Haushaltshilfe bezahlt sie 140 Euro Miete pro Monat.
Auch Miming Xiong lebt in einer Wohngemeinschaft. Für das Studium der Kommunikationswissenschaften ist sie von China nach Bamberg gekommen. Das Ungewöhnliche: Miming wohnt bei Frau Schneider - einer älteren Dame, die an Demenz leidet. Sie ist schon die dritte Studentin, die bei ihr wohnt.
"Ich bin zufrieden und positiv überrascht", sagt Miming, denn sie hatte zuerst Bedenken. "Das Zimmer wird bestimmt nicht sehr groß sein und ich werde viel arbeiten müssen, dachte ich vorher. Außerdem spreche ich nicht sehr gut Deutsch. Deswegen könnte die Familie nicht zufrieden mit mir sein", waren ihre Befürchtungen.
Ihre Angst hat sich schnell zerstreut. "Beim ersten Kennenlernen war Frau Schneider sehr freundlich", erzählt die Studentin. "Das Zimmer ist schön, ich habe viel Zeit für mich und fürs Studium und wenig Arbeit." Miming und Frau Schneider trinken gerne zusammen Kaffee, frühstücken oder gehen spazieren. "Wir schauen auch gemeinsam Fernsehen. Ich verstehe aber nicht alles. Dann übersetzt Frau Schneider für mich."
Laut Vertrag hilft Miming noch beim Putzen, Wäsche waschen und Abendbrot machen. Doch allzu streng nach Vertrag läuft es dann doch nicht ab: "Ich helfe und wir rechnen die Stunden nicht nach. Ich mache etwas, wenn es mir auffällt." Trotz des großen Altersunterschiedes sagt Miming, dass sie gerne bei Frau Schneider wohnt: "Ich verstehe sie und sie mich." Auch Jana Richter ist zufrieden. "Es ist anders, als in einer normalen WG - etwas reifer. Ob ich mit 18 Jahren schon dafür bereit gewesen wäre, weiß ich allerdings nicht. Es muss zum Lebensabschnitt passen."
Nach dem Studium müssen Jana und Miming wieder ausziehen, weil nur Studenten das Angebot von Wohnen für Hilfe nutzen dürfen. Beide können sich aber vorstellen, später selber Studenten bei sich aufzunehmen und ihnen dadurch aus der Wohnungsnot zu helfen. Damit hätte Wohnen für Hilfe nicht nur den heutigen Studenten aus der Wohnungsnot geholfen.